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Diese Zeit wird von den Älteren gerne als die „gute alte Zeit“ tituliert. Das hat allerdings schon Jochen Malmsheimer in seinem legendären „Wurstbrot“ völlig zu Recht als Quadratunsinn eingestuft. Dennoch ist da etwas dran: Jugendliche von heute würden einige Dinge von damals nicht verstehen. Wir Alten sollten ihnen davon berichten. Dabei lernt man (fast unerwartet) auch einige Dinge über sich und die Zeit, in der man aufgewachsen ist. So wollte ich meiner Tochter etwas über die Musik meiner Kindheit erzählen…
Keine Ahnung, ob es diesen Begriff wirklich gibt. Aber das Phänomen ist klar: Wenn ein Titel, den man nicht kennt, nicht in den ersten 5-10 Sekunden gefällt, wird er am Touchscreen weggewischt. Ein anderes Musikgenre oder unbekannte Interpreten haben dadurch kaum eine Chance. Beim Gespräch mit meiner Tochter erinnerte ich mich an meine Kindheit in den mittleren Siebzigern. Es gab einen Fernseher und eine Stereoanlage.
Was flimmerte oder was lief, das entschieden meist die Erwachsenen. Das waren in der Regel nicht Led Zeppelin, Pink Floyd, The Doors, Uriah Heep oder Iron Maiden. Denn viele Haushalte im Deutschland der Siebziger waren (völlig uncool) im Würgegriff des Schlagers. Die Musiksendungen der damaligen Zeit hießen Starparade mit Rainer Holbe oder Hitparade mit Dieter Thomas Heck. Nur dann, wenn Oma mal nicht dabei und das Kind schon im Bett war, schauten Mama und Papa Beat Club oder Musikladen. Davon hatte ich als Kind aber nichts, weil ich vorher ins Bett geschickt wurde.
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Sehr genau erinnere ich mich an die vielen Stunden, in denen ich mit meinen Eltern Schlagersendungen sah (von den Volksmusiksendungen mal ganz zu schweigen). Hauptsache Fernsehen, dachte ich, und nahm deshalb manch Schmonzette und Schnulze in Kauf. Bei der Starparade waren zum Beispiel oft nur drei Minuten interessant, wenn die obligatorischen internationalen Gäste Boney M oder Sailor hießen. Weniger begeistert war ich, wenn als Star aus der großen weiten Welt Mireille Mathieu angesagt wurde. Dennoch sah und hörte ich mir brav alles an (wie gesagt, Hauptsache Fernsehen). Dies führte zwangsläufig zu einer ausgeprägten Musiktoleranz.
Niemals hätte ich meinen Kumpels in der Schule gesagt, dass ich auch eine fundierte „Schlager-Hörausbildung“ genossen habe. Aber trotzdem – die dadurch erworbene Musiktoleranz erweitert den musikalischen Horizont und den Geschmack. Ich hatte dieses Training als Kind genossen, ohne es zu wissen. Unsere heutigen Kids der Generation Streaming und Music-on-demand geht es da anders. Die moderne Segmentierung der musikalischen Genres macht das Finden und Hören der Lieblingsmusik zwar besonders leicht. Das ist ja auch gut so.
Aber es fällt vielen noch schwerer als früher, auch mal die eigene Geschmacks- und "Filterblase" zu verlassen. Playlists und Vorschläge von Spotify, iTunes, YouTube & Co., die auf die Nutzerpräferenzen zugeschnitten sind, sorgen dafür, dass Hörer und Hörerinnen oft beim Lieblingsgenre bleiben. Dabei war es noch nie so einfach und kostengünstig möglich, in ungewohnte Musikrichtungen und Songs anderer Genres hineinzuhören. Ich hoffe, dass meine Tochter an mein "Plädoyer für Musiktoleranz" denkt und das mal ausprobiert. Zumindest ab und zu...
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