In den 80er Jahren war das Werfen der Kunststoffscheiben für uns das Allergrößte. Auf weiten Grünflächen wie im Berliner Tiergarten, im Grunewald, im Hamburger Stadtpark oder auf einer Wiese schmissen sich Kids und junge Erwachsene die Scheiben zu. Dabei versuchten wir, beim Werfen und Fangen cool auszusehen – und uns die Finger nicht allzu sehr wehzutun. Wer es heute (mit einer etwas anderen Figur als damals...) wieder ausprobiert, wird feststellen, dass man die Wurftechniken kaum verlernt.
Voraussetzung hierfür war, dass der Werfer die Plastescheibe mit dem richtigen Spin und Abwurfwinkel abfliegen ließ. Dabei waren und sind die richtigen Frisbees keine billigen Werbe-Wurfscheiben, die vielleicht beim ersten Aufprall Schaden nahmen. Die Frisbees sind hochwertige, etwa 150 bis 220 Gramm schwere Sportgeräte. Klassiker ist die 175 g leichte Scheibe. Sie wird auch bei der Frisbee-Disziplin Ultimate eingesetzt. Bei dem Mannschaftsspiel galt es, die Scheibe in der gegnerischen Zone zu fangen. Wurde es dunkel, war das Spiel allerdings zu Ende. Denn zumindest unser Studentenbudget reichte nicht aus, um uns auch die coole, selbstleuchtende Scheibe zu kaufen.
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Der normale Wurf erfolgt, in dem die Frisbee Scheibe aus dem zum Körper hin eingedrehten Unterarm heraus abgeworfen wird. Beim Abwerfen wird das vorher nach innen abgewinkelte Handgelenk mit Schwung "ausgeklappt". So erhält die Kunststoffscheibe ihre Eigendrehung. Dieser Spin sorgt für einen stabilen, annähernd waagerechten, meist auch zielsicheren und weiten Flug.
Sie legen die Frisbee zum Beispiel auf den ausgestreckten, nach oben gedrehten Unterarm. Dann wird sie mit Daumen und Zeigefinger am Rand erfasst. Mit dem Unterarm holt der Werfer aus und schleudert die Frisbee mit einem kräftigen Schwung nach vorne weg. Manche nehmen die Frisbee nur mit den spitzen Fingern und halten sie am "langen Arm". Dann werfen sie die Wurfscheibe, ohne den Arm einzudrehen, an langer Hand mit dem richtigen Dreh ab. Die Haltung ähnelt dem Vorhandschlag beim Tischtennis.
Denn wenn ein Mülleimer in einem Berliner Park als Golfziel herhalten musste, war das Herausfischen der fliegenden Untertasse doch recht eklig. Uns brachte vor allem das Hin und Her-Werfen machte Spaß. Das Beste war, dem Wurf des Gegenübers hinterherzurennen. Vielleicht konnten wir die Scheibe dann per Hechtsprung fangen, bevor es der Hund vom vorbeigehenden Spaziergänger tat. Dabei sahen wir nicht so cool aus wie US College Boys. Aber wir fühlten uns wie kalifornische Studenten, die sich am Strand von Malibu mit Frisbeewürfen fit halten…
Gewohnt haben wir in unserer „Frisbee-Zeit“ in einem Studentenwohnheim nah der Mauer. Das Wohnheim stand etwa dort, wo heute das Sony Center am Potsdamer Platz aufragt. Nur wenige Schritte weiter gab es ein Kuriosum der Berliner Teilung: das „Lenné-Dreieck“, auf dem heute Bürogebäude wie das Beisheim Center stehen. Das dreieckige Brachland gehörte damals zur DDR. Die Mauer war aber mit geradem Verlauf gebaut worden. Deshalb war das Lenné-Dreieck vom Westen aus frei zugänglich. Als das Gebiet 1988 in einem Gebietstausch der „BRD“ zugeschlagen wurde, wurde es von West-Berliner Aktivisten besetzt.
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Es dauerte nicht lange, bis die West-Berliner Polizei anrückte. Die Grenztruppen der DDR ließen es sich nicht nehmen, die von der West-Berliner Polizei „belagerten“ Besetzer mit Leckereien zu versorgen. Die wurden kurzerhand über die Mauer gereicht… Nach 36 Tagen räumten West-Polizisten das Hüttendorf auf dem Lenné-Dreieck, das die Besetzer nach dem Aktivisten Norbert Kubat benannt hatten. Einige der Bewohner kletterten über die Mauer, um von den DDR-Grenzern mit einem Frühstück empfangen zu werden. Für die sozialistische Republik auf deutschem Boden war die Besetzung des Lenné-Dreiecks eine willkommene Gelegenheit, Propaganda zu betreiben. Die DDR-Organe konnten sich gegenüber den „repressiven westlichen Polizeikräften“ als liberal inszenieren – und das ausgerechnet am menschenverachtenden Todesstreifen der Mauer.
Man hätte eine Frisbee-Scheibe vom Lenné-Dreieck über die Mauer werfen können. Vielleicht hätten die Grenzsoldaten sie sogar zurückgeworfen. Denn Drohnen oder andere Fluggeräte in der Größe gab es noch nicht. Wäre die Frisbee hinübergeschwebt, hätte man sie in Ost-Berlin wohl nicht mit ihrem US-amerikanischen Namen genannt, sondern als „Schwebedeckel“ bezeichnet…
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