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Dunkel war's, der Mond schien helle

Schneebedeckt die grüne Flur, als ein Wagen blitzesschnelle langsam um die Ecke fuhr;
Drinnen saßen stehend Leute
Schweigend ins Gespräch vertieft,
Als ein totgeschossner Hase
auf dem Wasser Schlittschuh lief...
 
So widersprüchlich ging es weiter, das Gedicht, das viele Eltern und Großeltern in den 70ern und 80ern auswendig und fehlerfrei erzählen konnten. Für uns wurde es zu einer prägenden Kindheitserinnerung, deren Worte leichter im Gedächtnis blieben als viele Schulgedichte, wahrscheinlich auch wegen der sich widersprechenden Inhalte. Zwar haben wir uns nicht alle (bis zu 16) Zeilen des Gedichts gemerkt, aber das legendäre "Dunkel war's, der Mond schien helle..." und die ersten drei bis vier Zeilen, die haben wohl Millionen noch heute im Kopf.

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Wer hat "Dunkel war's, der Mond schien helle" geschrieben?

Häufig wird es Christian Morgenstern oder gar Goethe zugeschrieben. Manche, die im Internet nach dem Verfasser suchen, vermuten auch Heinz Erhardt, den großen Meister des Sprachwitzes in der Nachkriegszeit, dahinter. Aber tatsächlich scheint die Herkunft nicht genau geklärt zu sein. Vermutet wird, dass "Dunkel war's, der Mond schien helle" im 19. Jahrhundert in Sachsen entstand. Das Gedicht und Spottlied wurde offenbar nahezu im ganzen deutschen Sprachraum über Generationen weitergegeben, oft auch leicht abgewandelt.

Im Wikipedia Quellenverzeichnis haben wir sechs Versionen oder Varianten gefunden. Aber wahrscheinlich gab und gibt es noch viel mehr. So lief der totgeschossene Hase mal auf dem Wasser, mal auf einer Sandbank Schlittschuh. Mal war es eine grüne Kiste, dann wieder eine grüne Bank, die "rot angestrichen war".

Allen Versionen gemeinsam ist der offensichtliche Widerspruch, der in jeder Zeile steckt

Der Sprach- und Literaturwissenschaftler Oskar Dähnhardt erwähnt das Gedicht 1898 in seiner Sammlung "Volksthümliches aus dem Königreich Sachsen, auf der Thomasschule gesammelt". Bei einer der drei Varianten, die Dähnhardt niederschreibt, verweist er auf Hordorff, vermutlich Arthur Hordorff, der 1909 über die Entstehung des Dramenfragmentes "Demetrius" von Schiller promovierte und dessen Dissertation in Leipzig erschien. Aber diese Gelehrten werden den Spottreim nicht erdacht, sondern dem Volksmund aufmerksam "auf's Maul" geschaut haben.

Auch in der Schweiz liebte man offenbar das Spiel mit den Widersprüchen: 1902 erscheinen leicht abgewandelte Versionen in "Kinderlied und Kinderspiel im Kanton Bern" der Schweizer Volkskundlerin Gertrud Züricher.

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Wie wurde es weiter getragen?

Natürlich wurde "Dunkel war's, der Mond schien helle"  nicht nur in den oben genannten Werken, sondern auch in zahlreichen Gedicht- und Volksliedersammlungen für nachfolgende Generationen festgehalten. Aber weil es so einprägsam ist, wurde es oft auch einfach mündlich weitergegeben.

Ich weiß nicht mehr, welche Version mein Opa um 1970 immer wieder aufsagte, ohne dass uns Enkeln langweilig wurde. Aber ich bin sicher: Das Gedicht wird noch viele Jahrhunderte weiterleben, vielleicht auch immer mal abgewandelt oder weitergesponnen werden... und vielleicht nicht digital, sondern weiterhin mündlich an die nächsten Generationen überliefert.

Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzesschnelle,
langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
als ein totgeschoss’ner Hase
auf der Sandbank Schlittschuh lief.

Und ein blondgelockter Jüngling
mit kohlrabenschwarzem Haar
saß auf einer grünen Kiste,
die rot angestrichen war.

Neben ihm ’ne alte Schrulle,
zählte kaum erst sechzehn Jahr,
in der Hand ’ne Butterstulle,
die mit Schmalz bestrichen war.

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Veröffentlicht am 26. Januar 2023 von geb.1960-69.de

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