Entdeckt bei
Es gab damals für uns westdeutsche Kids nur 3 (!) Fernsehprogramme (von den zwei DDR-Programmen mal abgesehen). Deshalb hat einige Sendungen wohl jeder, wirklich jeder, gesehen. Eine der prägendsten Sendungen der siebziger Jahre war für mich „Väter der Klamotte“. Ganz eng mit dieser Sendung verbunden ist die Uhrzeit. Sie hat wohl niemand, der in dieser Zeit aufgewachsen ist, vergessen: 18:20 Uhr! Etwa eine halbe Stunde lang flimmerten schwarz-weiße Slapstick-Stummfilme, von Musik untermalt und von Hanns-Dieter Hüsch kommentiert, über die heimische Mattscheibe.
Weiterlesen nach der Anzeige
Entdeckt bei
Denn die Kontrolle erfolgte rund 12 Stunden später, wenn man auf dem Schulweg die Sketche nacherzählte und darüber stritt, welche der Episoden die beste war. Es war schwierig, das Hausaufgaben-Gedicht auswendig zu lernen und aufzusagen. Aber wir konnten mühelos ganze Abschnitte von "Väter der Klamotte" im Detail nachspielen.
Fast immer schauten die Darsteller wie Charlie Chaplin oder Oliver Hardy sehr ernst. Vor allem Buster Keaton wurde praktisch nie mit einem Lächeln oder gar lachend gesehen. Stan Laurel alias "Doof" fing sogar oft an, herzzerreißend zu weinen.
Meiner Meinung nach machten sie spätere Filme wie „Die nackte Kanone“ erst möglich. Anarchohumor und Slapstick, teils noch als Stummfilm – das war nicht nur lustig, sondern oft auch kunstvoll in Szene gesetzt. Anspruchsvolleren Humor, mit feinen Untertönen oder gar gesellschaftskritisch – den bot hingegen Loriot in dem (einen) dritten Programm. Im ZDF um 18:20 Uhr war jedoch die Devise: „Väter der Klamotte gucken, ablachen und Kopf leeren.“
Weiterlesen nach der Anzeige
Andere Produkte zum Thema entdeckt bei
Interessanterweise kam dabei niemand auf die Idee, dass die "Väter der Klamotte" Filmchen oft nicht politisch korrekt waren. Frauen waren in den Filmen häufig Hausmuttchen oder Femmes Fatales. Dunkelhäutige Filmfiguren wurden oft verschlagen oder tollpatschig dargestellt. Besonderen Spott traf beleibte Figuren: Auf Kosten von „Dicken“ wurde sich immer wieder kräftig lustig gemacht.
Würden sie die heutige Jugend verderben? Haben sie uns verdorben? Oder haben sie sich tatsächlich einfach nur überlebt? Möglicherweise ist der Grund, das es kaum noch „Väter der Klamotte“ zu sehen gibt, viel profaner. Wahrscheinlich lohnen sich diese halbstündigen Episoden nicht, weil man dort nur eine viel zu kurze Werbeunterbrechung hineinpacken kann. Außerdem ist die schwarz-weiße Nostalgie dahin, wenn sie mittendrin vom Hochglanz-Werbefernsehen unserer Tage unterbrochen wird…
Andere Produkte zum Thema entdeckt bei
Hinweise und Anregungen sind herzlich willkommen: MITMACHEN